Ein Gebäude ist mehr als nur Stein und Beton – es erzählt eine Geschichte. Doch was, wenn diese Geschichten verschwinden? Der Denkmalschutz soll genau das verhindern, doch nicht selten führt er zu Konflikten. Warum ist er so wichtig, und welche Herausforderungen bringt er mit sich?
Denkmalschutz – dieses Thema ist alles andere als trocken und uninteressant. Es geht nicht nur darum, alte Gebäude zu schützen, sondern auch um die Geschichten, die hinter diesen Mauern stecken. Wir nehmen uns selten die Zeit uns vorzustellen, was diese Gebäude uns sagen könnten. Doch durch Denkmalschutz werden sie nicht einfach nur als „alt“ abgehakt. Sie sind Zeugen ihrer Zeit, Träger von Erinnerungen, und genau deshalb verdienen sie es, bewahrt zu werden. Was Denkmalschutz aber wirklich bedeutet, und warum er so wichtig ist, konnten wir erst nach intensiven Gesprächen mit Experten wie Tatiana Lori, einer Architektin, und einem Anwalt, Herrn Aebersold, richtig verstehen
Tatiana Lori brachte es treffend auf den Punkt:
„Der Eiffelturm in Paris steht nun mal in Paris und nicht irgendwo anders.“
Tatiana Lori ist eine Architektin, welche sich auf den Denkmalschutz spezialisiert hatte. Sie studierte an der ETH-Architektur und ist jetzt Abteilungsvorsteherin der Denkmalpflege des Kantons Bern. Für sie sind alte Gebäude etwas sehr Wichtiges, da sie vor allem viele historische Informationen überliefern.
Und das ist mehr als nur eine Tatsache über den Standort dieses berühmten Wahrzeichens. Es zeigt uns, wie Gebäude als Identifikationsmerkmale einer Stadt oder eines Landes wirken. Ohne dass man den Eiffelturm wirklich „erklären“ muss, weiss jeder, der ihn sieht, dass er sich in Paris befindet. Und genau das ist es, was der Denkmalschutz auch schützt: Gebäude, die einem Ort oder einer Region ein einzigartiges Gesicht verleihen.
In Bern beispielsweise ist es der Bundesplatz, dessen bekanntes Bild sofort mit dem Bundessitz der Schweiz verbunden wird. Denn stellen sie sich vor Sie befinden sich auf dem Bundesplatz. Ihnen ist sofort klar, dass sie sich in Bern befinden. Doch nicht nur die imposanten Bauwerke wie das Bundeshaus, sondern auch die schlichten Häuser in der Altstadt sind prägend für das Stadtbild. „Jedes Haus hat ihr Flair, das wir natürlich bewahren möchten“, erklärte uns Tatiana Lori und gab damit einen persönlichen Einblick in die Bedeutung von Denkmalschutz. Gerade in der Altstadt von Bern, mit ihren engen Gassen und historischen Fassaden, spürt man förmlich die Geschichte, die in den Mauern lebt. Jedes Gebäude ist wie ein Puzzleteil, das zur Gesamtgeschichte der Stadt beiträgt.
Doch wie kommt es eigentlich, dass ein Gebäude überhaupt in das Inventar des Denkmalschutzes aufgenommen wird? Es ist nicht so einfach, wie man denkt. Im Kanton Bern gibt es mehr als 450.000 Gebäude. Davon sind nur etwa 7 Prozent, also rund 28.000, im kantonalen Bauinventar als Baudenkmäler erfasst. Und dieser Prozess, ein Gebäude als schützenswert zu erkennen und in das Inventar aufzunehmen, ist alles andere als willkürlich.
„Es gibt sehr strenge Kriterien“
Denn ein Gebäude muss mindestens 30 Jahre alt sein, um als Baudenkmal infrage zu kommen. Doch es geht nicht nur ums Alter. Es wird auch geprüft, ob das Gebäude technisch, architektonisch oder sozial von Bedeutung ist. Und auch die Frage, wie einzigartig es ist, spielt eine grosse Rolle. Ein Gebäude, das in seiner Art nur einmal existiert, bekommt natürlich mehr Gewicht als eines, das viele Male vorkommt.
Ein Beispiel, das uns anschaulich gemacht wurde, liefert der berühmte Schweizer Architekt Peter Zumthor. Viele seiner Werke, die nun langsam das Alter erreichen, in dem sie für den Denkmalschutz infrage kommen, sind besonders, weil sie in ihrer Art und Struktur einzigartig sind. „Ein Gebäude, wie zum Beispiel eine Therme oder ein Spa, das in seiner Bauweise unverwechselbar ist, hat durchaus eine Chance, als Denkmal geschützt zu werden“, so Frau Lori. Doch auch hier wird genau geschaut, ob das Gebäude nicht nur einzigartig, sondern auch historisch oder kulturell wertvoll ist. Was ein Gebäude einzigartig macht, ist wie oft es dieses im Kanton, der Schweiz oder sogar auf der Welt gibt. Es funktioniert genau gleich wie Sammelkarten, denn auch dort ist eine Karte mehr wert, wenn es sie weniger oft gibt. Auch Briefmarken sind dafür ein gutes Beispiel. Es gilt: Je seltener, desto einzigartiger, desto wertvoller.
Es ist aber nicht nur interessant, wieso ein Gebäude im Bauinventar aufgenommen wird. Auch rechtlich gesehen ist das Thema sehr interessant. Herr Aebersold, ein Anwalt im Bereich des Baurechtes, erklärte uns, dass es für den Denkmalschutz rechtlich keine festen Regeln gibt. Jedes Gebäude müsse individuell bewertet werden.
Christian Aebersold ist Anwalt mit Schwerpunkt des Baurechtes. Dadurch hat er auch mehrmals Kontakt mit dem Denkmalschutz. Er arbeitet in der Morandi-Schnider Kanzlei in Solothurn. Für ihn ist der Denkmalschutz wichtig, da man das alte durchaus auch so lassen soll, wie es ist, jedoch sieht er ein sehr grosses Problem mit der Finanzierung.
"Aus einer Kirche kann man keine mehrstöckige Wohnung machen, aber unter bestimmten Bedingungen kann man ein modernes Mikrofon einbauen."
Die Bedingungen sind sogenannte Auflagen. Genau diese praktischen Einschränkungen, sogenannten Auflagen, sind oft die erste Hürde für Besitzer von denkmalgeschützten Gebäuden.
Doch auch wenn die rechtlichen Auflagen oft strenger sind, als man sich das als Aussenstehender vorstellt, gibt es gewisse Freiräume. Die Außengestaltung eines Gebäudes ist meistens sehr streng reguliert, doch das Innenleben kann oft verändert werden, natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen. Ein gutes Beispiel für die Herausforderungen und Möglichkeiten, die der Denkmalschutz mit sich bringt, sind die Fenster in den denkmalgeschützten Gebäuden der Altstadt von Solothurn. Diese Fenster müssen bestimmte Anforderungen erfüllen, etwa waagrechte und senkrechte Sprossen. Für die Bewohner dieser Häuser kann das eine lästige Pflicht sein, denn die Sprossen sind nicht nur optisch, sondern auch praktisch eine Herausforderung, da sie schwer zu reinigen sind. Doch es gibt auch Lösungen: Die Holzstücke können beispielsweise zwischen zwei Glasscheiben eingebaut werden, was die Funktionalität der Fenster erhöht, ohne das äussere Erscheinungsbild zu stören.
"Hier haben wir eigentlich ein gutes Beispiel dafür, wie man sieht, dass zwei eigentlich sehr. Ja, nachvollziehbare aktuelle und auch gesellschaftliche sehr akzeptierte Anliegen ein anderer gegenüberstehen und eigentlich das eine das andere Reibt"
Ein weiteres Beispiel für die Balance zwischen Denkmalschutz und modernem Bedarf ist das Greeslyhaus. Das Gebäude, das unter Denkmalschutz steht, sollte ursprünglich mit Solarziegeln ausgestattet werden. Ziegel, die nicht sichtbar Strom produzieren. Zunächst wurde das Projekt abgelehnt, da die Behörden einen Eingriff in die „geschützte Substanz des Hauses“ befürchteten. Doch nach jahrelangen Diskussionen wurde das Vorhaben schliesslich genehmigt, da die Solarziegel keine Schäden am Gebäude hinterliessen und gleichzeitig zur Nachhaltigkeit beitrugen. Zudem wurde das Dach erneuert, was laut Aebersold auch wieder eine Verbesserung für das Haus darstellt, denn ein neues Dach sorgt für erhöhte Langlebigkeit des Gebäudes, in diesem Falle dem Greeslyhaus. Es ist ein klassisches Beispiel für die Auseinandersetzung zwischen dem Wunsch, historische Gebäude zu bewahren, und der Notwendigkeit, moderne Anforderungen wie erneuerbare Energiequellen zu integrieren.
In solch komplexen Fällen ist der Denkmalschutz eine Gratwanderung. Auf der einen Seite stehen die Bemühungen, das kulturelle Erbe zu bewahren, auf der anderen Seite die Notwendigkeit, das Gebäude für die Zukunft fit zu machen und auch zu sehen, dass nachhaltige Energie durchaus sehr wichtig ist. Doch trotz dieser Spannungen ist es laut Aebersold von grosser Bedeutung, Gebäude als Zeitzeugen zu erhalten, um den historischen Kontext und die Identität eines Ortes lebendig zu halten.
Doch es gibt auch eine finanzielle Seite des Denkmalschutzes, die oft zu wenig Beachtung findet. Die Renovierung von denkmalgeschützten Gebäuden ist kostspielig und zeitaufwändig. „Oftmals bekommt man vom Kanton keine Unterstützung, wenn man ein denkmalgeschütztes Gebäude renovieren möchte“, sagt Aebersold. Die hohen Kosten und langen Wartezeiten auf Genehmigungen führen häufig dazu, dass Projekte abgebrochen werden. Besonders schade ist das, wenn es sich um Projekte handelt, die nicht aus Profitgründen, sondern aus Bemühungen denkmalpflegerische Überlegungen, entstanden sind. Herr Aebersold ist überzeugt, dass hier mehr Unterstützung vom Staat notwendig wäre.
"Viele Bauprojekte müssen abgebrochen werden, weil die Auflagen des Denkmalschutzes zu teuer sind"
Denn ohne diese Förderung der Kantone und des Bundes könnten viele wertvolle Gebäude, die unser kulturelles Erbe repräsentieren, verloren gehen.
"Es ist anders als man denkt."
Der Denkmalschutz wirkt auf den ersten Blick wie ein starres Regelwerk, das Bauherren vor viele Hürden stellt. Doch nach den Recherchen und Gesprächen mit Fachleuten wird klar, dass er weit mehr als das ist. Er ist ein Mittel, um Geschichte erlebbar zu machen, Identität zu bewahren und unser kulturelles Erbe zu schützen. Ohne ihn würden viele Gebäude, die unsere Städte prägen, verschwinden oder so verändert werden, dass ihr Charakter verloren geht.
Natürlich gibt es Herausforderungen. Die Balance zwischen Erhaltung und moderner Nutzung ist nicht einfach zu finden, und manchmal wirken die Vorgaben streng. Doch es wird auch deutlich, dass es oft Lösungen gibt, um Tradition und Fortschritt zu vereinen. Wer den Wert eines alten Gebäudes erkennt, sieht nicht nur Steine und Mauern, sondern Geschichten und Erinnerungen.
Diese Reportage hat gezeigt, dass Denkmalschutz nicht nur eine Frage von Gesetzen ist, sondern auch von Verantwortung. Jedes geschützte Gebäude erzählt etwas über die Vergangenheit und gibt künftigen Generationen die Möglichkeit, diese Geschichte zu sehen und zu verstehen. Vielleicht lohnt es sich also, beim nächsten Spaziergang durch die Stadt genauer hinzusehen und den Wert dieser Gebäude zu erkennen.